{"id":123093,"date":"2021-06-12T11:14:58","date_gmt":"2021-06-12T09:14:58","guid":{"rendered":"https:\/\/www.kfzwirtschaft.de\/?p=123093"},"modified":"2021-06-12T11:14:58","modified_gmt":"2021-06-12T09:14:58","slug":"urbane-mobilitaet-eine-chance-fuer-energieversorgungsunternehmen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.kfzwirtschaft.de\/123093\/urbane-mobilitaet-eine-chance-fuer-energieversorgungsunternehmen\/","title":{"rendered":"Urbane Mobilit\u00e4t: Eine Chance f\u00fcr Energieversorgungsunternehmen?"},"content":{"rendered":"

Mit 750 Milliarden Euro will die EU Europa wettbewerbsf\u00e4higer und resilienter machen. Der Europ\u00e4ische ‚Green Deal‘ sieht unter anderem vor, eine Million neue Ladestationen f\u00fcr Elektrofahrzeuge zu errichten, den Schienenverkehr zu st\u00e4rken und saubere Mobilit\u00e4t in den St\u00e4dten zu f\u00f6rdern. Investitionen, die neue Gesch\u00e4ftsfelder auch f\u00fcr Energieversorgungsunternehmen er\u00f6ffnen k\u00f6nnten.<\/h2>\n

Heutige urbane R\u00e4ume haben in den letzten Jahren stadtspezifische Mobilit\u00e4tscharaktere entwickelt und werden diesen Weg weiter fortsetzen. Ausgehend von differenziert genutzten Stadtstrukturen werden sich zuk\u00fcnftig „individualmobilisierte Mega-Cities“ in vereinzelten urbanen R\u00e4umen (Quartiere) konzentrieren – auch verst\u00e4rkt auf den Umweltverbund, d. h. Fu\u00dfg\u00e4nger-Stadt und\/oder Radfahrer-Stadt und\/oder \u00d6PNV-Stadt.<\/p>\n

Fehlende Gelder und Entscheidungen<\/h2>\n

Problematisch bleibt die Erschlie\u00dfung der Speckg\u00fcrtel und weiter entfernten Siedlungsr\u00e4ume, deren Bewohner mobil sein m\u00fcssen. Hier auf den freien Markt zu setzen ist unrealistisch, Aufwand und Ertrag decken sich nicht hinreichend. Anders als in den Metropolen findet man kaum Disruptoren in der Fl\u00e4che. Die Mobilit\u00e4t ist und bleibt auf dem Land eine subventionsabh\u00e4ngige Leistung der Daseinsvorsorge, die voraussichtlich nur als Kombi-(Dienst-)Leistung mit anderen Akteuren (Lieferverkehr, Entsorgung?) und mit Hilfe der Digitalisierung optimiert werden kann.<\/p>\n

Wie kann sich aber urbane Mobilit\u00e4t erfolgreich entwickeln? Aktuell fehlt es zum einen definitiv an finanziellen Mitteln bei den \u00d6PNV-Unternehmen. Auch Energieversorgungsunternehmen z\u00f6gern mit Investitionen in Lade-Infrastrukturen bzw. der Ert\u00fcchtigung ihrer „davor“ liegenden Infrastruktur, weil gesellschaftspolitisch (noch) nicht gekl\u00e4rt ist, welche Antriebsform sich beim MIV unter marktwirtschaftlichen demokratischen Rahmenbedingungen durchsetzen wird.<\/p>\n

Hinzu kommt insbesondere in Deutschland der Faktor Autoland. Die Ausgestaltung der urbanen Mobilit\u00e4t ist in Industriestaaten stark abh\u00e4ngig von der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Gewichtung f\u00fcr bzw. gegen die Automobilindustrie auf der einen – also Arbeitspl\u00e4tzen, und dem Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf der anderen Seite. Auch zuk\u00fcnftig werden deutsche Autos sich besser verkaufen, wenn im Produktionsland der t\u00e4gliche Beweis f\u00fcr Funktionalit\u00e4t geliefert wird und mehr finanzielle Mittel in den MIV als in die \u00d6PNV flie\u00dfen. An Beispielen wie Helsinki, Oslo, Kopenhagen oder Gent hat sich hingegen gezeigt, dass dort, wo urbane Mobilit\u00e4t in Nationalstaaten ohne gro\u00dfe Abh\u00e4ngigkeit von der Automobilindustrie existiert, ein Wandel deutlich schneller und radikaler von statten gehen kann.<\/p>\n

Neue Gesch\u00e4ftsfelder – wer profitiert?<\/h2>\n

Urbane Mobilit\u00e4t erfordert die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure und die Zusammenlegung von Kernkompetenzen mit unternehmens\u00fcbergreifenden Kooperationen. Insbesondere f\u00fcr Energie- und Verkehrsbereich er\u00f6ffnen sich durch die Bereitstellung moderner Infrastrukturen in der E-Mobilit\u00e4t neue Gesch\u00e4ftsfelder.<\/p>\n

Profitieren werden auch Disruptoren wie beispielsweise Uber, die Automobilindustrie mit Autonomen Fahren Carsharing-, Ridesharing-Angeboten oder PKW-Flatrates. Zudem werden besonders IT-Unternehmen in Zukunft zu gefragten Playern. Sie liefern die digitalen Infrastrukturen bzw. intelligente Softwarel\u00f6sungen (KI), um endlich die lang vermisste Transparenz bez\u00fcglich des Kundenverhaltens im \u00d6PNV mithilfe von Big Data zu generieren.<\/p>\n

Grunds\u00e4tzlich werden sich durch urbane Mobilit\u00e4t, Digitalisierung und Vernetzung neue Gesch\u00e4ftsmodelle ergeben, die nur zu einem geringen Teil durch althergebrachte L\u00f6sungen wirtschaftlich betrieben werden k\u00f6nnen.<\/p>\n

Die Chancen f\u00fcr Energieunternehmen<\/h2>\n

F\u00fcr Energieunternehmen ergibt sich aus der urbanen Mobilit\u00e4t die Chance zur Kompensation des in Teilen r\u00fcckl\u00e4ufigen Kerngesch\u00e4fts im Bereich der traditionellen Energieversorgung. Abh\u00e4ngig von der Entwicklung des \u00d6PNV wird sich die Rolle der Energieversorgungsunternehmen auf die Lieferung von elektrischer Energie beschr\u00e4nken oder aber neue Angebote mit Fahrzeugen (Auto, Rad, Scooter etc.) als eigenes Gesch\u00e4ftsmodell oder in Kooperation mit (inter-)nationalen Playern erm\u00f6glichen.<\/p>\n

Wesen von Mobilit\u00e4t ist immer die Fortbewegung, wobei das Ziel gegebenenfalls nicht mehr im Einzugsbereich des lokalen Energieversorgungsunternehmens liegt. Damit w\u00fcrde f\u00fcr E-Mobilit\u00e4t an dieser Stelle eine neue Barriere entstehen. Es ist demnach davon auszugehen, dass gro\u00dfe nationale\/internationale Unternehmen oder White-Label-Integratoren in Kooperationen oder aus Ausgr\u00fcndungen der Automobilindustrie dieses Marktsegment vornehmlich beherrschen werden.<\/p>\n

Sofern sich (batterieelektrische) E-Mobilit\u00e4t „durchsetzt“, brauchen alle Akteure, in geeignetem Umfang Strom. Durch das lokale Know-how, oder im gemeinsamen Verbund zum Beispiel in Metropolregionen, sind Energieversorgungsunternehmen die „geborenen“ Partner zur infrastrukturellen Bereitstellung. Bei Verkehrsunternehmen wird der Bedarf unter Umst\u00e4nden geringer ausfallen, da Stra\u00dfenbahnen und Busse gr\u00f6\u00dftenteils bereits \u00fcber entsprechende Infrastrukturen verf\u00fcgen.<\/p>\n

Keine L\u00f6sung „One size fits it all“<\/h2>\n

So, wie jede „Stadt“ ihren individuellen Mobilit\u00e4tscharakter besitzt, so unterscheiden sich Energieversorgungsunternehmen in vielen Kriterien, die f\u00fcr die Auswahl eines passenden Gesch\u00e4ftsmodelles relevant und f\u00fcr den potentiellen Erfolg wichtig sein k\u00f6nnen.<\/p>\n

F\u00fcr die Versorger macht es keinen Sinn bei bereits bestehenden, gut ausgebauten Mobilit\u00e4tsangeboten ebenfalls in einen letztendlich defizit\u00e4ren Bereich einzusteigen. Hier kann sich die eigene Rolle nur auf die Kernkompetenz beschr\u00e4nken, n\u00e4mlich die Zurverf\u00fcgungstellung von „Strom“.<\/p>\n

Es mag aber auch Agglomerationen geben, in denen Energieversorger – insbesondere solange kein unternehmens- oder gesellschaftsrechtlicher, politischer Verbund mit dem lokalen \u00d6PNV-VU existiert, ein wirtschaftlich tragf\u00e4higes E-Mobilit\u00e4ts-Gesch\u00e4ftsmodell durchaus entwickeln und erfolgreich betreiben k\u00f6nnen.<\/p>\n

Um die individuellen Erfolgspotenziale, Chancen und Risiken von Energieversorgungsunternehmen in der urbanen Mobilit\u00e4t zu beurteilen, bedarf in jedem Fall einer transparenten und sorgf\u00e4ltigen Analyse zur Definition des jeweiligen Mobilit\u00e4tsmarktes.<\/p>\n

Autor: Andreas Glowienka, Senior Advisor \u00d6PNV\/Public Transport Tilia GmbH Leipzig<\/strong><\/p>\n

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