{"id":138278,"date":"2022-06-03T14:33:35","date_gmt":"2022-06-03T12:33:35","guid":{"rendered":"https:\/\/www.kfzwirtschaft.de\/?p=138278"},"modified":"2022-06-03T14:33:35","modified_gmt":"2022-06-03T12:33:35","slug":"abgasskandal-der-daimler-ag-vor-dem-eugh-schadenersatzpflicht-wegen-thermofenster","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.kfzwirtschaft.de\/138278\/abgasskandal-der-daimler-ag-vor-dem-eugh-schadenersatzpflicht-wegen-thermofenster\/","title":{"rendered":"Abgasskandal der Daimler AG vor dem EuGH: Schadenersatzpflicht wegen Thermofenster?"},"content":{"rendered":"

M\u00f6nchengladbach (ots) Das Landgericht Ravensburg hatte ein Dieselverfahren gegen die Daimler AG ausgesetzt und Fragen an den Europ\u00e4ischen Gerichtshof gerichtet. Dort bahnt sich jetzt eine schwere Niederlage f\u00fcr deutsche Automobilhersteller im Dieselabgasskandal an. Ein Thermofenster stellt aus EuGH-Sicht eine unzul\u00e4ssige Abschalteinrichtung dar!<\/p>\n

Das Landgericht Ravensburg hatte vergangenes Jahr im Dieselabgasskandal f\u00fcr viel Wirbel gesorgt. Durch den Vorlagebeschluss vom 12. Februar 2021 (Az.: 2 O 393\/20) hatte das Landgericht ein Dieselverfahren ausgesetzt und sich mit einer Reihe von Fragen an den Europ\u00e4ischen Gerichtshof EuGH gewendet. Unter anderem sollte gekl\u00e4rt werden, ob es unvereinbar mit Unionsrecht sei, wenn ein Erwerber, der ungewollt ein vom Hersteller mit einer unzul\u00e4ssigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebrachtes Fahrzeug gekauft habe, zivilrechtliche deliktische Anspr\u00fcche gegen\u00fcber dem Fahrzeughersteller auf Ersatz seines Schadens nur ausnahmsweise geltend machen k\u00f6nne, wenn der Fahrzeughersteller vors\u00e4tzlich und sittenwidrig gehandelt habe.<\/p>\n

Eine Begr\u00fcndung des Landgerichts lautete, dass ein Thermofenster auch ausnahmsweise nicht zul\u00e4ssig sei und es nicht ersichtlich sei, dass es die vom EuGH genannten strengen Anforderungen an eine zul\u00e4ssige Abschalteinrichtung erf\u00fclle. Damit hat sich der Europ\u00e4ische Gerichtshof nun befasst. Das Ergebnis kommt einem Erdbeben gleich: In seinen Schlussantr\u00e4gen in dem Dieselverfahren (Az.: C 100\/21) verdeutlichte der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos, dass Verbraucher Anspruch auf Schadensersatz h\u00e4tten, wenn in ihren Fahrzeugen ein sogenanntes Thermofenster verbaut sei. Ein Thermofenster stellt aus EuGH-Sicht eine unzul\u00e4ssige Abschalteinrichtung dar. Das Thermofenster kommt bei der Abgasr\u00fcckf\u00fchrung zum Einsatz, wonach die Abgasr\u00fcckf\u00fchrung bei k\u00fchleren Temperaturen zur\u00fcckgefahren wird.<\/p>\n

Dabei bezog Athanasios Rantos sich sowohl auf eine die Volkswagen AG betreffende Grundsatzentscheidung des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (Az. C-693\/18) als auch auf seine fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen zum Thermofenster in zwei noch nicht entschiedenen Verfahren. Danach ist das grunds\u00e4tzliche Verbot von Abschalteinrichtungen unmissverst\u00e4ndlich geregelt, und ein Thermofenster ist eine unzul\u00e4ssige Abschalteinrichtung. Den von den Herstellern immer wieder vorgeschobenen Rechtfertigungen illegaler Abschalteinrichtungen mit Motor- und Bauteilschutz erteilte der Generalanwalt eine Absage.<\/p>\n

„Damit positioniert sich der Europ\u00e4ische Gerichtshof gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofs, der die Sittenwidrigkeit des Thermofensters zuletzt verneint hatte. Das kann ein fundamentaler Turning Point im Dieselabgasskandal sein, denn in der Regel folgt der EuGH den Schlussantr\u00e4gen des Generalanwalts. In der Folge m\u00fcsste dann auch der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Thermofenster \u00e4ndern. Die Ausf\u00fchrungen des Generalanwalt sind eine deutlich h\u00f6rbare Ohrfeige f\u00fcr unsere h\u00f6chsten Zivilrichter. Ganz eindeutig haben diese Regelungen Schutzcharakter f\u00fcr Autok\u00e4ufer, und zwar sowohl f\u00fcr Neuwagenk\u00e4ufer wie Gebrauchtwagenk\u00e4ufer!“, sagt der M\u00f6nchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschlie\u00dflich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert.<\/p>\n

Besonders interessant ist die Frage nach dem Drittschutz. Nach der Schutznormtheorie entfaltet eine Rechtsnorm Drittschutz, wenn diese nicht nur dem Schutz der \u00f6ffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist, sondern (auch) dem Schutz eines erkennbar abgrenzbaren oder abgegrenzten Personenkreises dient. F\u00fcr den Dieselabgasskandal w\u00fcrde das bedeuten, dass das Unionsrecht dem individuellen Erwerber eines Fahrzeugs, das mit einer unzul\u00e4ssigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, einen Ersatzanspruch aufgrund deliktischer Haftung gegen den Fahrzeughersteller einr\u00e4umt, und zwar auch bei einfacher Fahrl\u00e4ssigkeit. Nach deutscher Rechtsprechung setzt eine solche Haftung voraus, dass die Unionsregelung darauf abzielt, die Interessen eines individuellen Erwerbers zu sch\u00fctzen. Diesen Drittschutz hat der Bundesgerichtshof bisher verwehrt und in Dieselverfahren, die ein Thermofenster zum Gegenstand hatten, die Schadenersatzpflicht wegen vors\u00e4tzlicher und sittenwidriger Sch\u00e4digung nach \u00a7 826 BGB abgelehnt.<\/p>\n

„Der Paukenschlag im Dieselabgasskandal durch die Auffassung des EuGH-Generalanwalts ist also der gegebenenfalls daraus resultierende Anspruch des Kl\u00e4gers aus \u00a7 823 Abs. 2 BGB. Sittenwidrigkeit wird dabei nicht vorausgesetzt, es gen\u00fcgt einfache Fahrl\u00e4ssigkeit. Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, k\u00f6nnten Gesch\u00e4digte im Dieselskandal die Autohersteller wesentlich leichter f\u00fcr den verursachten wirtschaftlichen Schaden haftbar machen und Schadenersatz erhalten. Der EuGH setzt damit konsequent wichtige Verbraucherrechte durch und weist den BGH in seine Schranken“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.<\/p>\n

Auch die deutschen Instanzgerichte, die in der Vergangenheit dem Bundesgerichtshof mehrheitlich allzu unkritisch gefolgt sind, werden sich an dem zu erwartenden Urteil des Europ\u00e4ischen Gerichtshof orientieren m\u00fcssen. Zuk\u00fcnftig wird es nicht mehr m\u00f6glich sein, berechtigte Anspr\u00fcche von gesch\u00e4digten Dieselk\u00e4ufern allein mit dem oft ungepr\u00fcften Argument fehlender Sittenwidrigkeit des Einsatzes einer Abschalteinrichtung zur\u00fcckzuweisen.<\/p>\n

Pressekontakt:<\/p>\n

Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
\nDr. Gerrit W. Hartung
\nHumboldtstra\u00dfe 63
\n41061 M\u00f6nchengladbach
\nTelefon: 02161 68456-0
\nE-Mail: kanzlei@hartung-rechtsanwaelte.de
\nInternet: www.hartung-rechtsanwaelte.de<\/p>\n

Original-Content von: Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, \u00fcbermittelt durch news aktuell<\/span><\/p>\n

Abgasskandal der Daimler AG vor dem EuGH: Schadenersatzpflicht wegen Thermofenster?<\/a><\/p>\n

Bildrechte<\/strong>: Dr. Gerrit W. Hartung, Gr\u00fcnder und Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft \/ Weiterer Text \u00fcber ots und www.presseportal.de\/nr\/135256 \/ Die Verwendung dieses Bildes ist f\u00fcr redaktionelle Zwecke unter Beachtung ggf. genannter Nutzungsbedingungen honorarfrei. Ver\u00f6ffentlichung bitte mit Bildrechte-Hinweis.<\/span> <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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